tauche ein – fühl dich frei

Als wäre da ein lederner, alter Umschlag zwischen Dir und meinen Gedanken,
nur Mut, öffne den Band…


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Am Anfang war der Traum

Ein Stück von ”salz” Komposition, Idee, Konzept – Julian Gamisch, Choreografie – Magdalena Eidenhammer/ Julian Gamisch, Musik – Julian Gamisch/ Georg Haider

nach dem gleichnamigen Buch von Robert Lawlor (aus dem Englischen von Brigitte Neumeister Taroni)

Dieses Buch erzählt die Kulturgeschichte eines Volkes, das belegterweise mindestens 70.000 (!!!) Jahre ein glückliches Dasein gelebt hat, und grüne Länder sowie saubere Quellen zurückgelassen hat. In nicht einmal 15 Generationen wird hier in Europa niemand mehr einen Warnhinweis für ein atomares Endlager entziffern können. Die Entwicklung vom Simplen zum Komplexen ist ein bereits widerlegter Irrweg. Darwins fehlinterpretierter Satz “Überleben des Stärkeren” wurde mehrfach, wissenschaftlich widerlegt. Wir Menschen sind heute nicht am höchsten Stand unseres möglichen Potenzials, das eklatante Gegenteil ist der Fall.

Lassen Sie uns heute hier beginnen in unser Potenzial einzutauchen: trauen Sie sich, folgen Sie mir!

Die Pflanze trägt den Traum vom Samen in sich, der Same trägt den Traum der Pflanze in sich. Damit eine Pflanze entstehen kann, muss der Samen sterben, damit der Samen entstehen kann, verwelkt die Pflanze. Es ist ein in sich in Bewegung befindliches Gleichgewicht!
Auch wenn vielleicht nicht auf den ersten Blick verständlich sprechend, ist es doch bei uns, den Menschen mit unseren Träumen, Wünschen, Ideen und Kindern auch so. Altes macht dem Neuen Platz. Für unsere Spezies ist es Endzeit geworden. Das Artensterben heute geht schneller von statten, als damals vor 65 Mio Jahren (!!). Das sind die Fakten.
Der Genpool verringert sich rapide, und damit die Möglichkeit als Organismen zu kooperieren, auf den Produkten des anderen aufzubauen. Sprich zu leben:

Kein neuer Sauerstoff ohne Photsynthese – kein Leben ohne Bienen. Selbst die ganz kleinen Lebensformen im Ökosystem haben wichtige Funktionen und können nicht ersetzt werden!! Hüten Sie sich vor Narzissten und Narzistinnen in Führungspositionen, die darum nichts wissen wollen oder sogar das Gegenteil behaupten.

Wir alle, die wir hier sitzen, in unseren repräsentativen Kleidern oder Kostümen, die wir in unseren zu großen Häusern leben, mit zu schweren Autos fahren, wir alle unterstützen diese Entwicklung. Jeden Tag indem wir nicht unseren Träumen sondern unserem Ego nachgehen, jeden Tag an dem wir nicht voll Hoffnung einen Samen bauen. Indem wir Dinge tun, die nicht lebendig sind, jeden Tag, an dem wir mit durch Kreditverträgen aus dem Nichts erschaffenen Geld spielen, jeden Tag, den wir nicht unseren Lieben dynamisch widmen.
Einen solchen Samen herzustellen ist jedoch ganz simpel, nicht leicht, aber simpel; klar.

Wir bauen diese Samen für uns; – obwohl wir alle sterben werden, ist es notwendig dies zu tun: denn wenn wir unsere eigenen Träume nicht ernst nehmen, wer sind wir denn dann noch? Wozu brauchen wir diese Verleihung? Warum sind wir dann hier versammelt?

Laut Wissenschaft haben wir noch zwischen 10 und 20 Jahren, um gemeinsam dem Artensterben mit höchster Kraft entgegenzutreten, um nicht die Dinosaurier oder Blaualgen von morgen zu werden. Selbst wenn es aussichtslos scheint, der Same, die Sporen, sie überdauern. Das Leben entsteht aus Widerstand, es gedeiht in kleinen Schritten, oft gegen die unwirtlichsten Umstände. – und:
das was hier vernommen wurde verhallt nicht, das was geschaut, verblasst nicht, was hier gespürt, das verbleibt, was wir geschmeckt löst sich nicht auf.


Vielen Dank!

(Finalis/ Rede zum gleichnamigen Stück)

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hinausgehen

Ich gehe hinaus;
ich löse mich vom Klang in meiner Fantasie.

Ich gehe hinaus – ich verlasse die begonnene Phrase und löse mich

von meinem Spiel.

Ich blicke weg vom Blatt Papier, dem meine Aufmerksamkeit … zu fiel.

Ohne Auftakt verlasse ich die Musik, in der ich mich eben noch befunden habe.

Ich trete neben mich, gehe ab von der Bühne auf der ich eben oben noch gestanden bin.

Ich gehe hinaus; raus aus diesem Saal, durch die Tür, hinter mir ein Haus.

Ich gehe hinaus; unter Dächern mitten in den Abend:

auch der zieht irgendwann an mir vorbei.

hin – ein?

Da ist der Rand des Viertels; ich gehe einen Schritt weiter und bin im Eigenen – meine 4 Wände mit dem Dach:

ich zieh dort meinen Job aus, fahre meinen Verpflichtungen runter und lege meine Verfügbarkeit ab – ein Rhythmus hört auf zu grooven.

Das liebste nehm´ ich mit – die Wohnung und das Haus mit seiner Straße, ihrem Flair und die Stadt mit meinem Alltag lasse ich zurück.

Ich brauche alle diese Hüllen nicht um mich – ich gehe hinaus, hinaus aus dieser Gegend, ich geh aus diesem Land.

Ich lasse die Gesellschaft von Teilung und von Rahmen – ich gehe hin, und komme aus, bin da, wo kein Mensch mehr ist.

Ich verlasse den Verstand, geh weiter raus: unter mir diese Welt.

weit – Weite – Weg – weg,

Schritt für Schritt, hinter mir, immer einen kleinen, Rand. Aus …

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zwischen

„Wie ein Kinderchor im Ringelreigen zu Karneval spielen wir stille Post.
Wie ein Kinderchor im Ringelreigen zu Karneval singen wir Lieder.“

„Still jetzt!! – Wie soll ich mich denn so sortieren?!“

Wie übernächtige Kinder in einer Zwischenwelt lachen wir salz´ge Tränen.“

Obwohl ich dich nicht angreifen kann, ist es, als würde ich vor dir sitzen und sich mein Körper zu deinem hingezogen fühlen.

Dein Atem rauscht in meinem Lautsprecher; ich halte meine Hand darüber, fast kann er mich mit seinem Tanz berühren.

Mhm.. – ich habe voll Lust auf dich: wenn deine Membran zu meiner Grenzfläche wird, bist du mir ich dir du. Wir ziehen dich aus, zieht mich mit in voller Länge.

Du siehst mich über zwischen dem Gesicht, knüpfst den Blick zu mir, Knoten für Knoten. Beide leuchten wir in bunten Farben, lachen zu schnell für den verströmt, verschlüsselten Zwischenraum.

„Wie ein Kinderchor träumen wir:

können uns nicht angreifen, aber berühren;

nicht berühren, aber erfassen;

nicht mehr erfassen, aber zusammensetzen;

nicht mehr zusammensetzen, aber teilweise finden:

wir sind wie ein Kinderchor in einer traumhaften Zwischenwelt verloren:

können uns nicht mehr finden, aber suchen.“

Aber ich habe so Lust auf dich; Lust auf die leichte Mixtur aus deinem Parfum, deinen Schweißperlen vom Laufen, den Pheromonen an deinem Haaransatz nach dem Aufwachen.

Der tote Briefkasten am Portal der Zwischenwelt bleibt leer; niemand, der uns nach draußen einlädt.

Je länger ich hinsehe, desto mehr beginnen deine zusammengetragenen Bruchstücke miteinander zu sprechen, eine Figur zu modellieren, Dich zu formen:
schemenhaft erhebst du dich über deine Teile, begleitet von einem Chor aus deinen eigenen Stimmen;

trotzedem lässt die Sonne dein Bild verdampfen und ich falle von einer Zwischenwelt in die nächste.

Wir lieben uns mit sanft verracuschten Worten, mit rauh verzerrten Bildern, mit verspielt verspäteten Gedanken – sag mir wo ich fühlen soll:
es ist nicht das Streichen von meiner Haut auf deiner;

es ist nicht das leise Klicken des Verschlusses meiner Hose, die du öffnest;

es ist nicht das dumpfe Geräusch, wenn die überflüssig gewordenen Hüllen zu Boden fallen;

es sind nicht plumpe Worte, die uns routinieren.

Obwohl ich dich nicht berühren kann, ziehen alle Fasern meines Du-Magneten mich zu dir.

„Wie ein Kinderchor im Ringelreigen, haben wir uns alle ineinander ver-liebt; in andere Richtungen ge-liebt; uns selbst verrückt:“

wir hören das sanfte Surren, als sich unsere Imaginationen treffen, und sich unsere Wellen wie Echos aus der Zwischenwelt berühren; hören das Klicken, wenn wir unsere geheimen Wünsche auf den Berührungsstellen artikulieren;

Es klingt wie die auf die letzte Konsequenz reduzierte Bestätigung des anderen in einem Wechselspiel, einem sinnlichen Ritual mit plumpen, aber klaren Worten; Worte, die das Besondere in uns durch unsere Fantasie katalysieren.

„Wie ein Kinderchor in einer Zwischenwelt, lernen wir schnell die Regeln kennen, und loten alle Fehler aus:
wir können uns nicht finden, aber vertrauen;

nicht zusammensetzen, aber genießen;

nicht berühren, aber be-rühren;

nicht angreifen, aber lieben.

Frei fliegen wir nebeneinander davon und so verblasst die Zwischenwelt im Angesicht unserer vielen Farben, denn zu Karneval gibt es keine Zwischenwelt,

und:

wie ein Kinderchor im Ringelreigen, werden wir das Meer erreichen, werden wir im Kreise tanzen, lachen singen, bis vor Freude salz´ge Tränen uns aus den Augen rinnen.

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Abschied

Was zu sagen war ist gesagt, was zu sehen möglich war, liegt offen dar, was zu hören war ist verstanden worden, begriffen, was zu begreifen war, gewittert, was gerochen hat.

Wer schreit mit mir, wo es zu schweigen gilt? Wer sieht (mit mir) wo es wegblicken heißt? Wer lauscht, wo das riechen taub macht? Wer greift dahin, wo nichts scheint zu sein?


Schreibst Du mir einen Brief? Rufst Du meinen Namen? Hältst Du meine Hand?
Ja, ich halte deine Hand, komm mit mit mir, ich führ dich an deiner Nase entlang bis du dich spüren kannst. Wenn du deine Augen schließt, kannst du mich hören, wenn du ganz nah bist, bis deine Nasenlöcher geschlossen sind mich mit deinem Gesicht spüren.

Weg. Weg – laufen. weglaufen. Weglaufen. langer weg. lange laufen. lange weg laufen.
zu. zu – hören. zuhören. zu hören. viel zu hören. viel zuhören. zu viel hören.
– wir hören einfach viel zu viel zu .


Hörst du nicht, dass es hier offensichtlich nach Unbegreifbarem schmeckt? – Fühlst Du nicht, dass das Gespräch stickig geworden ist und sich verfärbt hat?


Lass uns doch zusammen leise schreien, kurz nur in die Ferne blicken. Ahnend nur die Welt begreifen. – nein.

– bist du komplett taub?

Ich will vieldeutig hören, umfassend schmecken, klar begreifen was hier geschieht. Denn ich will frei sein wenn wir dann ohne uns zu versehen fliehen.

– jetzt?

Was hier vernommen wurde verhallt nicht, das was geschaut verblasst nicht, was hier gespürt, das verbleibt, was wir geschmeckt löst sich nicht auf.

Wir laufen los, draußen. Hinter kleinen Ecken verborgen liegen meine Ohren, unter kleinen Abdeckungen meine Augen, in kleinen Löchern steckt meine Nase, neben kleinen Nischen tasten meine Hände, hinter kleinen Biotopen zirkulieren meine Gedanken.

Der Rest ist Form.


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Ohne Titel #2

Es gibt keine Hilfsgüter für Palästina, sondern Nahpalm.

Es gibt keinen Frieden, sondern mit Maschinengewehren besetzte Burgfriede in einer endlosen Mauer, an der schließlich alle Ausfahrtsstraßen münden.

Es gibt keine Barmherzigkeit, sondern Vergeltung.

Sympathisanten der falschen Seite werden erschossen, denn ein Gegner ohne Waffe ist leichtere Beute.

Die Panzer schreien aus ihren Rohren ihre Friedensschreie in den Gazastreifen, damit alle sie hören können

Es gibt keinen Strom, sondern Feuerwerk rund um die Uhr;

kein Wasser sondern Blut.

Es gibt keine Konzentrationslager, sondern einen ganzen Landstrich der als solches dient.

Kinder spielen auf Spielplätzen aus Hausruinen, die von besseren Zeiten träumen.

Befehle werden von Menschen befolgt,

Schüsse von Soldaten abgefeuert,

eine Regierung vom Volk getragen.

Es wird nicht gedacht, sondern geladen.

Argumentieren heißt abdrücken.

Lachen heißt triumphieren.

Ein Selbstmordattentäter hält eine Ansprache in der Fußgängerzone, Gottes Segen, verkabelt in den Drähten seiner Weste. Seine Worte reißen Mauern nieder und finden Anklang in den Schreien der Menschenmenge. Er redet nicht für Gott, sondern für Freiheit.

Wenn du dort bist, brauchst du keine Tageszeitung mehr zu lesen, sondern siehst aus dem Fenster.

Nächstenliebe ist auch für Nazis ein Fremdwort, aber diesmal drücken die Alliierten ein Auge zu.

Wer rekapituliert, wird abgeknallt, denn Denken kostet dich das Leben.

Es gibt kein Warten, sondern Erwarten.

Sehen heißt Zielen,

Zögern heißt verlieren.

Heut spielen keine Kinder, denn sie laden Waffen.

Friede ist, wenn alle tot sind.

jpeg, Juli 2010